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„Ich weiß so wenig über die Geschichte meiner Mutter“

 

8.6. 2015 Zeitzeugengespräch in der Schulbibliothek der Liebigschule

„Ich weiß so wenig über die Geschichte meiner Mutter"

„Meine Mutter wurde als drittes Kind ihrer Eltern am 9. November 1938 in Frankfurt geboren. In der gleichen Nacht wurden in Frankfurt, wie in ganz Deutschland, Synagogen in Brand gesetzt, jüdische Geschäfte geplündert, jüdische Familien in ihren Wohnungen überfallen, misshandelt, verhaftet und deportiert. So auch mein Großvater, der zwei Stunden nach der Geburt meiner Mutter in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt wurde."
Dena Lehrman hat nicht viele Erzählungen über Geburtsstadt ihrer Mutter zu hören bekommen. Ein Foto des Haushaltswarengeschäfts der Großeltern in der Bergerstraße 72 hat sie dabei. Der Besuch in Frankfurt ist für sie und ihren Mann Marc eine erste Spurensuche im Frankfurt der 30'er Jahre und die Entdeckung des heutigen Frankfurts.
„Aus Angst vor einer Wiederholung des Holocaust, und in Sorge um mich und meine Schwester legte meine Mutter ihren jüdischen Namen Bodenheimer ab und wählte einen amerikanischen Familiennamen. Wir lebten viele Jahre abgeschieden in der Provinz Massachusetts, die nächsten Nachbarn lebten 5 Kilometer entfernt. Meine Mutter hat kaum über Frankfurt gesprochen, das sie mit 18 Jahren verlassen musste."
Auch Judith Wayne weiß wenig über die Familiengeschichte der Bodenheimers in Frankfurt. Der Großvater hatte eine Papierfabrik in Bockenheim, die Familie wohnte zuerst in der Sophienstrasse, dann in der Schuhmannstrasse. 1963 war sie als Zwölfjährige ein erstes Mal mit ihrer Mutter in Frankfurt. Jetzt, 2015, ist sie ein zweites Mal zurückgekehrt.
Im Gespräch mit Schülerinnen unserer Oberstufe tauschten Dena Lehrman und Judith Wayne Erfahrungen über Fremdenfeindlichkeit und Gastfreundschaft in den USA, Israel und Deutschland, über Vorurteile und persönliche Erfahrungen aus und über das verschweigen traumatischer Familienerlebnisse.
 
 
Das Gespräch mit Schülern an Frankfurter Schulen ist seit 1980 fester Bestandteil eines Besuchsprojektes der Stadt Frankfurt. In diesem Projekt die Stadt Frankfurt ehemalige Frankfurter und Frankfurterinnen in ihre alte Heimatstadt ein, aus der sie von den Nationalsozialisten vertrieben worden waren. Seit drei Jahren hat die Stadt Frankfurt, in einer Vorreiterrolle, diese Einladung auch auf die Kinder- und Enkelgeneration der Vertriebene ausgeweitet. So kamen dieses Jahr dreiundzwanzig Zeitzeugen aus den USA, Chile, Uruguay, Argentinien und Israel in die Heimatstadt ihrer Eltern. Für viele von Ihnen war es ein gewagter Schritt in ein fremdes Land. Das Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt unterstützt dabei die Begegnung mit Frankfurter Schülern. Eine Begegnung, die für beide Seiten als Bereicherung und Aufforderung zu einem engagierten Verhalten gegenüber Diskriminierung in jeder Form verstanden wurde.
 
 

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