Catherine Ballestero zögert nicht lange als sie von einer Schülerin nach ihrem schönsten Erlebnis aus der Zeit des 2. Weltkriegs gefragt wird. Es war Weihnachten 1943 in Pibrac, unweit von Toulouse/Frankreich, wo die Familie schließlich auf ihrer zehnjährigen Flucht vor den Nazis angekommen war.
Der Vater hatte ihr, der Sechsjährigen, ein Puppenhaus, der älteren Schwester Ruth ein Marionettentheater und dem jüngeren Bruder Henri ein Schaukelpferd gebaut. Das Leben der angesehenen FamiIie im gastfreundlichen Haus in der Schumannstrasse im Frankfurter Westend hat Catherine, 1937 schon in Frankreich geboren, nie kennengelernt. Im Sommer 1944 werden die Mutter und die Schwester von den Nationalsozialisten in das Transitlager Drancy bei Paris verschleppt. Kurz darauf geht ihre Fahrt in Viehwaggons weiter in das Vernichtungslager Auschwitz, wo Mutter und Tochter sofort in der Gaskammer getötet werden.
Seit 1980 lädt die Stadt Frankfurt für eine Woche ehemalige Frankfurter:innen ein, die von den Nazis aus ihrer Heimatstadt vertrieben worden waren. Seit 2012 gilt diese Einladung auch für die Kinder und Enkel dieser immer kleiner werdenden Gruppe der Zeitzeug:innen. Diese sogenannten „Zweitzeug:innen“ treffen bei ihrem Besuch auch mit Frankfurter Schüler:innen zusammen. An der Liebigschule nun schon zum zehnten Mal.
Catherines Bruder und sie kommen nach dem Krieg wieder mit dem Vater zusammen. Sie geht auf eine Montessori Schule, wird später selber Lehrerin an einer Schule für Büchermacher:innen. Heute, 85-jährig, lebt sie bei ihrer Tochter im französischen Jura.
Besonders eindringlich wird Catherine Ballestero als sie die Schüler:innen zum Schluss des Gesprächs auffordert dem wachsenden Rassismus in unseren Gesellschaften entschlossen entgegenzutreten.
S. Peters, 08.07.2022